Das Rote Kreuz während der NS-Zeit von 1933 bis 1945
Die "Machtergreifung" durch Adolf Hitler im Januar 1933 und die in den folgenden Jahren durchgeführte "Gleichschaltung" mit der Auflösung von Parteien, Verbänden und Vereinen zeigte auch tiefe Auswirkungen auf das Deutsche Rote Kreuz.
(Hier stellt Walter Gruber zutreffend fest: "In den Gauen tobte ein wilder Kampf um die Führerschaft im Roten Kreuz."(43))
"Braune"-Funktionäre übernahmen hohe Ämter im Roten Kreuz. (44) Ebenso wurde auf der lokalen Ebene der Frauenvereine der Versuch unternommen, Vorstandsposten mit Mitgliedern der NSDAP zu besetzen, was aber zumindest in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft auf den erbitterten Widerstand der alten Rotkreuzgarde stieß. Auseinandersetzungen zwischen der NSDAP und dem Roten Kreuz waren die Folge, insbesondere zwischen dem Frauenverein und der NS-Frauenschaft (NSF). In einem Schreiben des Kreisausschusses Mittelfranken des Bayerischen Landesvereins vom Roten Kreuz an die Vorsitzende des Kipfenberger Frauenvereins vom 1. August 1933 wird moniert:
"Bei der Durchsicht der von Ihnen eingesandten Fragebogen ... haben wir gefunden, daß Sie in Ihrem Ausschuß keine Mitglieder der NSDAP oder NS-Frauenschaft haben. Da nach dem Rundschreiben des Deutschen Roten Kreuzes ... die Anregung gegeben wurde, Mitglieder der NSDAP zu bitten, in die Vorstandschaft der Organisation des Roten Kreuzes einzutreten, bitten wir Sie, baldmöglichst ein oder mehrere Mitglieder der NSDAP oder der NS-Frauenschaft in Ihren Ausschuß nachträglich einzureihen ..."Das Schreiben endete mit der Drohung, dass "Versäumnisse für Sie große Unannehmlichkeiten bringen können."(45)
Dennoch dauerte die Ablehnung der NS-Gliederung durch das örtliche Rote Kreuz an.
In einem gemeinsamen Aufruf des Bayerischen Landesvereins vom Roten Kreuz und der Gauleitung der NS-Frauenschaft erging am 20. Oktober 1933 der dringende Appell:
"Persönliche Reibereien zwischen Mitgliedern des Roten Kreuzes und der NS-Frauenschaft, besonders auf dem Lande, bestimmen uns darauf hinzuweisen, daß die Arbeiten beider Organisationen für unser Volkswohl dringend nötig sind. Die Angehörigen beider Organisationen haben Hilfe zu leisten und müssen bestrebt sein, deshalb voreinander Achtung zu haben und auch vertrauensvoll miteinander zu arbeiten." (46)
Aber noch im Jahresbericht 1934/35 traf die Vorsitzende des Kipfenberger Frauenvereins, L. Siegele, die gemäß dem "Führerprinzip" nicht mehr gewählt, sondern in ihr Amt berufen worden war, die Feststellung, eine Zusammenarbeit mit der NS-Volkswohlfahrt (NSV) sei nicht möglich.
Trotz dieser Distanzierung war es mit der Selbständigkeit der Frauenvereine vorbei; die NSDAP und ihre Gliederungen drängten sich massiv in die Kompetenzen des Roten Kreuzes ein, wie der Abschlussbericht übe reine öffentliche Sammlung beweist:
"Sammelergebnis der am 10. Juni 1934 im Sturmbereich durch die SA durchgeführte ROTE-KREUZ-SAMMLUNG." (47)
Im September 1934 übernahm Adolf Hitler die Schirmherrschaft über das Deutsche Rote Kreuz. Der Vorsitzende des Bayerischen Landesvereins im Roten Kreuz, Kreisverein Mittel- und Oberfranken, der Nürnberger Oberbürgermeister Liebel, würdigte in einem damals üblichen Tenor dies in einem Rundschreiben vom 6. November 1934.
Aber selbst vier Jahre nach der "Machtübernahme" konnte in Kipfenberg von einer Kameradschaft zwischen den rivalisierenden Organisationen keine Rede sein. Am 19. Dezember 1936 schrieb daher der Vorstand des Bayerischen Landesvereins an Frau Siegele:".... teilen wir mit, daß wir den Vorsitzenden des Bezirksverbands Eichstätt, Herrn Bezirksoberamtmann Dr. Förderreuther, gebeten haben, die reibungslose Zusammenarbeit zwischen der NS-Frauenschaft und dem Roten Kreuz in Kipfenberg herszustellen ...." (49)
Die Differenzen blieben nicht ohne Konsequenzen auf die Zahl der Mitglieder im Roten Kreuz Kipfenberg (Stand jeweils 31. März):
Jahr | Mitglieder |
---|
1933 | 66 |
1934 | 64 |
1935 | 63 |
1936 | 47 |
1937 | 48 |
Aber die Vereinsarbeit stagnierte nicht, vielmehr wurden in Zusammenarbeit mit der erwähnten Fürsorgestelle neue Aktivitäten entwickelt, wie aus dem Jahresbericht 1934/35 hervorgeht:
"Es besteht hier seit Jahren eine Arbeitsgemeinschaft zwischen örtl. Fürsorge, Caritasverein und dem Rotem Kreuz, die durch jährliche Zuwendungen der Burgbesitzer-Familie Taeschner, seit Jahren eine eigene Fürsorgeschwester halten. Diese betreut alte und hilfsbedürftige Personen, Wöchnerinnen usw. Mütterberatung in Anwesenheit des hiesigen Arztes Dr. Köglmeier findet alle 4 Wochen statt und wird sehr gut besucht ...." (50)
Ab 1936 wurden erstmals in zwei Lehrgängen Laienhelferinnen für den Luftschutz und in einem weiteren Kurs sog. Samariterinnen ausgebildet. Der Krieg warf seine Schatten voraus. Weiterhin wurde eifersüchtig darüber gewacht, die Vereinsarbeit möglichst selbständig und unbeeinflusst von der NSDAP auszuführen. Deshalb erging noch Ende 1937 eine ernste Mahnung der Gaufrauenschaftsleiterin Berta L. an die Vorsitzende des Kipfenberger Frauenvereins:
"Sie hielten im September eine Abschlußprüfung der Samariterinnen vom Roten Kreuz. Zu derselben war weder die Ortsfrauenschaftsleiterin noch die Kreisfrauenschaftsleiterin Frau Ü., eingeladen. Ich ersuche Sie, um eine gute Zusammenarbeit von Frauenschaft und Rotes Kreuz zu gewährleisten, bei den Veranstaltungen des Roten Kreuzes auch die Leiterin der Frauenschaft einzuladen ...." (51)
Erst im Spätherbst 1937 folgte die Wende und eine weitgehende Integrierung des Deutschen Roten Kreuzes in den nationalsozialistischen Staat. Am 9. Dezember wurden mit dem "Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz" alle bisher relativ autonomen Verbände und Vereine im Roten Kreuz, also auch die Frauenvereine, aufgelöst und einem Gesamtverband Deutsches Rotes Kreuz unterstellt. (52) Nach § 6 des Gesetzes übernahm der Reichsminister des Innern die Aufsicht über das Rote Kreuz. (53)
Im Aufgabenkatalog (§ 4) fand eine starke Gewichtsverlagerung von der "Friedenstätigkeit" zum Kriegseinsatz statt. Aber trotz des Eides auf Adolf Hitler und neuer Zielsetzung
muss betont werden, dass Rote Kreuz im juristischen Sinne niemals zu einer NS-Organisation wurde.
Am 18. November 1937 wurde das 50-jährige Bestehen des Frauenzweigvereins Kipfenberg gefeiert. Diese Feier wurde von der NSDAP dazu genutzt, das zumindest für die Öffentlichkeit, ein Bild von "Sympathien" des Frauenzweigvereins Kipfenberg entstand.
Zugleich mit der Jubelfeier wurde in Kipfenberg ein sogenannter Sanitätshalbzug gegründet, so dass nunmehr auch Männer aktiv im Kipfenberger Roten Kreuz tätig werden konnten.
Eine großangelegte Werbeveranstaltung zum 50-jährigen Bestehen brachte dem Frauenzweigverein einen Zuwachs von 28 Mitgliedern. Die Vorstandschaft setzte sich im letzten Friedensjahr aus der Vorsitzenden und Schriftführerin Luise Siegele, der Stellvertreterin Maria Hackner und der "Rechnerin" Mathilde Wiesner zusammen. Über die personelle Beschaffenheit des Sanitätshalbzuges Kipfenberg liegen leider keine Unterlagen mehr vor.
Mit der Etablierung des Nationalsozialismus wurde das Rote Kreuz zunehmend auch für politische Aufgaben in Anspruch genommen. Als Hitler zur "heiligen Wahl" am 10. April 1938 aufrief, wurden die Mitglieder des Roten Kreuzes zu Wahlhelfern
zwangsverpflichtet. im Verordnungsblatt des Roten Kreuzes ordnete der Geschäftsführende Präsident und SS-Brigadeführer Grawitz an:
"Ich befehle hiermit für das DRK:1. Alle Gliederungen de DRK haben sich mit sofortiger Wirkung bis einschl. 10. April 1938 für die Vorbereitung und Durchführung der Wahl restlos einzusetzen.2. Alle Gliederungen des DRK stellen sich den örtlichen für die Wahl zuständigen Dienststellen zu diesem Zweck zur Verfügung... " (56)
Mit Beginn des 2. Weltkrieges wurde das Rote Kreuz vollständig in den Kriegsapparat einbezogen. Die Mitglieder bildeten nun die "Ortsgemeinschaft Kipfenberg im Roten Kreuz", aus dem Frauenzweigverein war die "DRK-Bereitschaftsgruppe (w)" geworden. die Ausbildung der Helferinnen wurde forciert, neue Titel und Posten wurden erfunden. Es gab die DRK-Bereitschaftsdienstleiterin, die Haupthelferin und Zugführerin, es gab DRK-Nachrichtenhelferinnen und Lehrschwesterhelferinnen. Sie erhielten wie Soldaten "Einberufungsbefehle" für den Lazarettdienst an der Front, in Rüstungsbetriebe und Betriebe der Wirtschaft. Sie arbeiteten in Verwundeten- und Soldatenheimen, sie übernahmen Aufgaben im Bahnhofsdienst, im Katastropheneinsatz und im Krankentransport. Wie im I. Weltkrieg wurde gesammelt und gebettelt und es wurden Patenschaften für Soldatenheime übernommen, die besonders an Weihnachten mit "Liebesgaben" bedacht wurden. Das Rote Kreuz war streng reglementiert und organisiert bis hin zur "Berufskleidung" und zur "Grußpflicht". Die einstigen Merkmale der Freiwilligkeit und Individualität, der Selbständigkeit und zwanglosen Vereinsatmosphäre waren verschwunden. In einer umfangreichen Schrift befasste sich das Präsidium des Roten Kreuzes, das dem Reichsministerium des Inneren untergliedert war, mit dem "Grüßen". Es wurde angeordnet, das alle sich mit dem damals bekannten "Gruß" im dienstlichen und privaten zu "Grüßen" hätten. (57)
Aufgrund des sehr lückenhaften Materials kann nicht gesagt werden, wie viele Mitglieder die "Ortsgemeinschaft Kipfenberg" während des Krieges hatte, und welche speziellen Aufgaben sie zu erfüllen hatte. DRK-Gruppenführerin der Bereitschaftsgruppe (w) war damals Lore Heindl, die Leitung der DRK-Beratungsstelle lag in Händen von Anton Kern. Im Juni 1941 wurden an die Hauptführerin H. Hartinger in Eichstätt 20 Kipfenberger Helferinnen gemeldet. Wie viele davon im Fronteinsatz waren, ist nicht bekannt.